Hansa A6

Das mit Abstand spektakulärste Exponat unseres Fördervereins „WirtschaftsWunderWagenWelt Bremen e. V.“ ist der älteste noch existierende Personenwagen Norddeutschlands: ein HANSA A6, gebaut 1905 in den HANSA-Werken in Varel. Dessen Geschichte liest sich äußerst spannend, deshalb wollen wir sie hier erzählen.

Hansa A6 von 1905 aus Varel

Die Wurzeln des Bremer Automobilbaus

Ohne das Wirken zweier Männer vor weit über einhundert Jahren hätte die Stadt Bremen wohl nicht die Bedeutung für den Automobilbau erlangt, die sie heute hat. Und auch Borgward wäre wohl nie der größte private Automobilfabrikant in Deutschland geworden. Und dabei fängt die Geschichte gar nicht in Bremen selbst, sondern im beschaulichen Kleinstädtchen Varel, am Jadebusen gelegen, an.

Um das Jahr 1905 bauen der Zeitungsverleger Robert Allmers und der Textilfabrikant August Sporkhorst ihre ersten Fahrzeuge unter dem Markennamen HANSA. Obwohl beide bis zu diesem Zeitpunkt nichts mit der Herstellung von Motorwagen zu tun hatten, ist es ihre Vision, technisch ausgereifte und grundsolide Fahrzeuge zu einem guten Preis anzubieten. 

Eines davon war der HANSA A6, und der stammt noch aus der Anfangszeit der Produktion, die unter wechselnden Namen in Bremen, aber auch bis 1929 im oldenburgischen Varel und in Bielefeld stattfand.

Das Werk in Varel

Die Gebäude, in denen in Varel die HANSA-Fahrzeuge entstanden, sind architektonisch von besonderem Wert. Nicht nur, dass insbesondere das 1910 errichtete, vierstöckige Hauptgebäude in äußerst stabiler Stahlbetonbauweise ausgeführt wurde, auch das visuelle Erscheinungsbild des Gebäudekomplexes vermittelt selbst heute noch ein durchaus modernes Flair. Der charakteristische Rundbau nimmt viele Stilelemente vorweg, die mit der Architektur des Bauhauses in Verbindung gebracht werden.

Heute befindet sich das HANSA-Gebäude allerdings in einem eher traurigen Zustand. Es verfällt langsam, und der jetzige Besitzer hat anscheinend kein Interesse an einem Verkauf oder einer Nutzung. 

Hansa A6 von 1905 aus Varel

Die Vision: Nutzung des HANSA-Gebäudes

Herbert Freese, ehemaliger Lloyd-Autohändler und Rennwagenfahrer

Viele Jahre nach dem Ende der Nutzung des HANSA-Gebäudes hatte der ehemalige Lloyd-Autohändler und Rennwagenfahrer Herbert Freese aus Oldenburg eine Vision: Er wollte die baulichen Überreste der HANSA-Werke in Varel retten und ein Museum für automobile Geschichte im Fertigungsgebäude errichten. Obwohl die finanziellen Hürden für den Kauf des Gebäudes überwunden waren, kam es aufgrund des offensichtlichen Desinteresses des derzeitigen Besitzers nicht zum Kaufabschluss

Leider hat sich Herbert Freeses Traum nicht erfüllt. 2018 ist der Autofan, der unter anderem 1957 mit einem Lloyd Alexander TS an der Rallye Monte Carlo teilnahm, gestorben. 

Eine zweite Vision geht in Erfüllung

Eine weitere Vision von Herbert Freese erfüllt sich aber nun doch, wenn auch leider erst nach seinem Tode: Seine Sammlung zum Thema HANSA ging in den Besitz der Initiative WirtschaftsWunderWagenWelt Bremen e.V. über und wird in das Grundvermögen der Stiftung Automobilkultur Bremen eingehen.

Zu dieser Sammlung gehört auch der HANSA aus dem Jahre 1905. Die Zukunft dieses einmaligen Fahrzeuges scheint gesichert zu sein. Glücklicherweise verschwindet es nicht in einer Privatsammlung, sondern wird zukünftig der interessierten Öffentlichkeit in Bremen gezeigt.

Ungeklärt: die Motorisierung

Die Historie des letzten Hansa A6 liegt teilweise im Dunklen. Abweichend zu den bekannten Dokumenten zum HANSA A6 verrät das Typenschild, dass es sich um einen Typ „V“ handelt, da statt des Einzylinder-Motors ein Zweizylinder-V-Motor mit 6 PS verbaut wurde. Signifikant für den bauzeitlichen Einbau dieses nicht in den vorhandenen Archivalien dokumentierten V-Motors der Firma Zetel ist die Typ- und Leistungseinstanzung im Typenschild mit der Fahrgestellnummer 123.

Drei Vorbesitzer sind bekannt

Aus den vorliegenden Dokumenten entnehmen wir, dass der erste Besitzer ein gewisser Dr. Emil Schmail aus Breslau war. 1963 registrierte ein Herr Börschl aus München den Hansa beim Allgemeinen Schnauferl-Club. Herr Freese erwarb das seltene Fahrzeug dann im Jahr 2012.

Über Herrn Dr. Emil Schmail wissen wir leider nichts. Über Hans Börschel und die Ära des HANSA in München von ca. Kriegsende bis 2012 existiert eine detaillierte Beschreibung, die wir durch einen Zufall vom Enkel Hans Börschels zugespielt bekommen haben. Sie vermittelt uns einen fantastischen Einblick in die Zeit der Familie Börschel mit dem HANSA. Den Bericht haben wir im Original als PDF-Datei hier bereitgestellt.

HANSA 1905
Die Geschichte des heute ältesten noch existierenden Personenwagen Norddeutschlands, erzählt vom Enkel Hans Börschls. (PDF - 5 MB)

Der HANSA heute

Der Großzügigkeit Herbert Freeses ist es zu verdanken, dass der HANSA nun im Besitz der Initiative WirtschaftsWunderWagenWelt Bremen e.V. Das ist gut so, denn wir wollen das Fahrzeug der breiten Öffentlichkeit zeigen. Hier schon einmal ein paar Bilder:

Zum Zeitpunkt der Übernahme des Fahrzeugs war der HANSA zwar schon ein visueller Leckerbissen, allerdings lief er nicht. Das haben wir mittlerweile ändern können – der HANSA, er fährt!